Religiöse Reform – auch eine Frage der politischen Macht
Beinahe von Anfang an standen in der religiösen Frage die Fürsten und Städte (reformatorisch gesinnt) und der der Landesherr (katholisch gesinnt) in Gegensatz zueinander.
Die Durchsetzung der Reformation in Steyr im 16. Jahrhundert war gegen den Willen des habsburgischen Landesherrn erfolgt. Sie wurde deshalb als Ausdruck des Ungehorsams verstanden. Nur weil die Regierung in Folge der Türkenkriege geschwächt war, konnte sich die Stadt ungestraft der Reformation anschließen.
Um das Jahr 1600 war es damit vorbei.
Seit seinem Regierungsantritt im Jahr 1576 arbeitete Kaiser Rudolf II. (1576-1612) auf die Erneuerung des Katholizismus und die Verdrängung des Luthertums hin. Zugleich ging es ihm um die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität und die Durchsetzung einer absolutistischen Staatsform.
Nach mehr als zwanzig Jahren, 1599, setzte sich die kaiserliche Regierung durch:
Evangelische Gottesdienste wurden verboten, die Lateinschule geschlossen, die evangelischen Prediger und Lehrer des Landes verwiesen. Die Bürger wurden zur Teilnahme am katholischen Gottesdienst verpflichtet.
Doch es gab Widerstand: Katholische Gottesdienste wurden gestört oder boykottiert. Trotz Verbots nahmen die Bürger an evangelischen Gottesdiensten in den nahegelegenen Privatkirchen des Adels (Stadlkirchen, Losensteinleithen, Dorf an der Enns) teil. Manche Bürger wanderten in evangelische Gebiete Deutschlands aus.
„Wenn zwei sich streiten,…“
Protestantismus und das Spiel der Politik
Nach 1600 verschärfte sich der „Bruderzwist im Hause Habsburg“, der Kampf des Erzherzogs Matthias gegen seinen Bruder Rudolf II. Matthias brauchte die Unterstützung der evangelischen Stände. Also musste er Zugeständnisse machen, die Religionsausübung betreffend. 1608 wurde der evangelische Gottesdienst in Steyr wieder eingeführt - in der Marienkirche.
Die Stadtpfarrkirche blieb katholisch. Und auch die Lateinschule öffnete wieder ihre Pforten.
1609 gestattete der Erzherzog in der „Religionskapitualtion“ (zwar ausdrücklich, aber nur mündlich!) den Städten die Ausübung der Evangelischen Religion.
Sein Nachfolger, Ferdinand II. (ab 1619), sah sich an dieser Zusage nicht gebunden.
Er setzte nach dem Sieg über die aufständischen Protestanten in der Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag (1620) die Rekatholisierung Steyrs durch. 1624 wurden die evangelischen Einrichtungen geschlossen, Prediger und Lehrer ausgewiesen und die Bürger vor die Wahl gestellt, katholisch zu werden oder das Land zu verlassen.
Mehr als 2.500 Menschen sind um ihres Glaubens willen ausgewandert; das evangelische Leben in Steyr wurde ausgelöscht. Es folgt ein wirtschaftlicher Absturz, von dem sich die Stadt lange nicht erholen konnte.
EXUL ERAT CHRISTUS,
COMITES NOS EXULIS
HUIUS ESSE DECET,
CUIUS NOS QUOQUE
MEMBRA SUMUS.
EIN FLÜCHTLING WAR
CHRISTUS
GEFÄHRTEN DIESES FLÜCHTLINGS
ZU SEIN ZIERT UNS
SO WIE WIR AUCH
SEINE GLIEDER SIND.
Epitaphinschrift, Renaissancefriedhof Steyr
1517! Und Heute? Steyr 2017. Reformationsstadt Europas - Dokumentation zur Sonderausstellung im Museum der Stadt Steyr vom 24. März bis 5. November 2017.