Vergebliches Bemühen

Das vergebliche Bemühmen um die Sicherung des Protestantismus

~ 1568–1600


Ringen um Pfarrstellen
Trotz der Religionskonzession Maximilians II. aus dem Jahre 1568 blieben die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 auch für Oberösterreich gültig. Zwar bedeutete die reichsrechtliche Anerkennung des Augsburger Bekenntnisses, dass die Lutheraner nicht mehr als „Ketzer“ oder „Sektierer“ zu behandeln waren, aber das Recht des Landesfürsten, die Religion seiner Untertanen zu bestimmen, blieb davon unberührt.

Formal war Oberösterreich ein katholisches Land, das katholische Pfarrsystem blieb aufrecht. Bei der Besetzung der Pfarrstellen war daher die Bestätigung des Bischofs von Passau notwendig. Maximilian II. hatte allerdings in Bezug auf die Herrn und Ritter auf das Recht, die Religion zu bestimmen, verzichtet und ihnen unter bestimmten Bedingungen (z. B. einer einheitlichen lutherischen Kirchen- und Gottesdienstordnung) das evangelische Privatexercitium zugestanden.
In der Praxis bedeutete dies, dass bei jeder Pfarrstellenbesetzung, wo lutherische Patronatsherrn oder Stadträte das Besetzungsrecht hatten, evangelische Prädikanten eingesetzt wurden. Wo das Besetzungsrecht in katholischer Hand lag (Stifte, Klöster, Landesherr), entstanden daher oft regionale Parallelstrukturen: Neben dem katholischen Pfarrer, der von den Einkünften der Pfarre lebte, wirkten lutherische Prädikanten (Predigthelfer, Laienprediger) als Angestellte des Adels oder der Städte. Ein bekanntes Beispiel für diese Parallelstruktur bietet die Landeshauptstadt Linz. Während der katholische Stadtpfarrer in der Stadtpfarrkirche, in der immer nur katholische Messen gefeiert wurden, vor einer sehr kleinen Gemeinde Messen las, predigte der von den Ständen angestellte Prädikant im Sitzungssaal (dem „Steinernen Saal“) des Landhauses. Auch in der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Bürgerspitalskirche (an der Landstraße, heute steht dort der 1931/23 errichtete so genannte Winkler-Bau) wirkte ein lutherischer Prädikant. Dass ein solches System – trotz Kompromissbereitschaft – zu permanenter Unsicherheit und damit zu Konflikten auf allen Ebenen führte, liegt auf der Hand. In den Verhandlungen zwischen den Ständen und dem Landesherrn, in Landtag und Stadträten spielten Religionsfragen eine zentrale Rolle.

Evangelische Institutionen
Solange Maximilian II. regierte (1564–1576), hoffte die lutherische Seite, ihre Stellung ausbauen zu können. Ohnedies wurden die Einschränkungen der Religionskonzession ignoriert. Die Städte praktizierten genauso öffentlich ihren lutherischen Glauben wie die meisten Adeligen. Sichtbaren Ausdruck fand dies vor allem im Ausbau evangelischer Institutionen.

Bereits seit der Durchsetzung der Reformation zwischen 1530 und 1550 waren an vielen Orten protestantisch geprägte Schule entstanden. Besonders berühmt war die im ehemaligen Dominikanerkloster in Steyr untergebrachte Lateinschule. Nach der Hochwasserkatastrophe 1572 wurde die Schule großzügig neu errichtet (heute: Dominikanerhaus). Das ehemalige Minoritenkloster in Enns diente ab 1567 als Sitz der ständischen Landschaftsschule. 1574 übersiedelte die Schule in das neu errichtete Landhaus in Linz. Neben diesen „höheren Schulen“ gab es im ganzen Land „deutsche Schulen“ für die Elementarbildung.
Soziale Einrichtungen wie Bürgerspitäler und Bruderhäuser wurden ausgebaut oder neu begründet. In Wels etwa wurde das verlassene Minoritenkloster unter dem Patronat der Polheimer in ein Spital umgewandelt.

Friedhöfe
Auch Friedhöfe, die im lutherischen Sinn nicht um die Kirche, sondern außerhalb der Ortschaften als Orte der Stille und Besinnung angelegt wurden, zeugen davon, wie selbstverständlich evangelisches Denken geworden war. Bedeutendstes Beispiel eines reformatorischen Friedhofs ist der Renaissancefriedhof auf dem Tabor in Steyr. Noch heute kann man im Torturm des Friedhofs die (allerdings zugemauerte) Kanzel erkennen, von der aus die so genannten Leichenpredigten gehalten wurden.

Wo es wegen Baufälligkeit oder nach einer Brandkatastrophe – wie etwa in Steyr, wo beim Stadtbrand von 1522 auch die Stadtpfarrkirche zerstört worden war – nötig wurde, gestaltete man Kirchengebäude im protestantischen Sinn um. Im Vordergrund stand dabei die Konzentration auf das Heilige Abendmahl sowie Taufe und Predigt. Der Abendmahlstisch musste für alle zugänglich sein, das Taufbecken wurde ins Zentrum der Kirche gerückt. In einigen Fällen wurden auch Heiligenfiguren und Nebenaltäre aus den Kirchen entfernt.

Widerstand von Adel und Städten
Mit dem Regierungsantritt Kaiser Rudolfs II. 1576 änderte sich allerdings die Lage. Der neue in Spanien streng katholisch erzogene Kaiser war entschlossen, seine Rechte in Bezug auf die Religion durchzusetzen. Die Verhandlungen über die Erbhuldigung durch die Stände wurden so zur Kraftprobe. In Niederösterreich gelang es Rudolf II. die dortigen Stände sosehr unter Druck zu setzen, dass sie sich die Abschaffung des lutherischen Gottesdiensts im Landhaus in Wien gefallen ließen.
In Oberösterreich hingegen traten Adel und Städte dem Kaiser gemeinsam gegenüber. In harten Verhandlungen, die immer wieder vom Abbruch bedroht waren, gelang es, wenigstens den Status quo zu erhalten. Als Druckmittel diente die Verweigerung von Steuern, die der Kaiser für den Krieg gegen das Osmanische Reich dringend benötigte. Aber die Stände waren gewarnt. Um keine Angriffsfläche zu bieten und geeinigt auftreten zu können, einigten sie sich 1577 auf eine gemeinsame Kirchenordnung, die in der Praxis aber wenig angewandt wurde.

Kirchenordnungen

Kirchenordnungen basieren auf dem Augsburger Bekenntnis (1530) und  enthielten u. a. Aussagen zum Bekenntnisstand und zur Lehre, weiters Predigt- und Gottesdienstordnungen, Bestimmungen zum Schulrecht (Die Schulaufsicht war Aufgabe der Pastoren.) und zur Kirchenzucht (Bemühungen, um die kirchliche Ordnung und Lehre sicherzustellen), manchmal auch Hinweise für die Ausbildung der Theologen und die Wirtschaftsführung der Pfarren.
Agenden dagegen enthalten den liturgischen Ablauf verschiedener Gottesdienste (Taufe, Eheschließung, Begräbnis).

Zwischen Kompromiss und Radikalität
Unter dem Druck der Verhältnisse öffneten sich manche Adeligen radikalen religiösen Ideen. So war es in der Mitte des 16. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum bei den Evangelischen zu einer Spaltung in zwei Richtungen gekommen. Auslöser war die Frage, wie weit Lutheraner um des Friedens willen traditionelle (katholische) Bräuche und Gedanken dulden durften (Gerade in der Praxis lebten katholische Traditionen und Frömmigkeitsformen auch unter den Evangelischen weiter.). In den lutherischen Gebieten Deutschlands setzte sich die kompromissbereite Seite um Luthers engen Mitarbeiter Philipp Melanchthon (1497–1560) durch. Anhänger des Theologen Matthias Flacius (1520–1575), die für die Durchsetzung einer radikalisierten und kompromisslosen lutherischen Lehre kämpften und sich – etwa in litugischen Fragen – deutlich von der katholischen Kirche abgrenzten, wurden wegen ihrer Streitsüchtigkeit aus den meisten deutschen Landeskirchen vertrieben. Ein Streitpunkt betraf dabei auch die Erbsündenlehre des Flacianismus, die vom Luthertum verurteilt wurde.
In der aufgeheizten Stimmung in Oberösterreich fanden die radikalen Prediger des Flacianismus hingegen Anklang. Besonders die Starhemberger in Eferding, die Liechtensteiner in Aschach und die Polheimer in Grieskirchen wandten sich dem Flacianismus zu. Die Fresken auf Schloss Parz, die in der Mosesszene Papst und Türken als gemeinsame Verfolger der Gemeinde Gottes darstellen, sind Ausdruck dieser Haltung.
Zwar wurde der Flacianismus in der Kirchenordnung von 1577 durch den Landtag verboten, aber es dauerte bis nach 1583, ehe die flacianischen Prediger Oberösterreich tatsächlich verließen.

Bäuerlicher Widerstand
Während Adel und Bürgertum mit diplomatischen Mitteln für die Sicherung des lutherischen Bekenntnisses eintraten, kam es gegen Ende des 16. Jahrhunderts zu einem neuen Phänomen: bäuerlicher Widerstand gegen die Einsetzung katholischer Pfarrer. Erstes spektakuläres Ereignis war der so genannte Sierninger Handel von 1588. Gegen den Versuch des neuen katholischen Pfarrers, eines Passauer Domherrn, die Messliturgie wieder einzuführen, regte sich der Widerstand der gesamten Bevölkerung Siernings. Die Angst vor größeren Unruhen führte zum Eingreifen der Stände und der kaiserlichen Regierung. Schließlich fand man eine diplomatische Lösung: Der neue Pfarrer durfte bleiben, musste aber einen lutherischen Vikar anstellen. Dieser „Sieg“ der lutherischen Seite ermutigte nun auch die Bevölkerung anderer Orte, sich gegen die Rekatholisierung zu wehren.

Beginnende Rekatholisierung
Zur gleichen Zeit verstärkten sich die Bemühungen zur Wiederaufrichtung der katholischen Kirche. Maßnahmen im Sinne der katholischen Reform führten zu einer inneren Erneuerung der Stifte und ihrer Pfarren. Ermutigt wurde die Rekatholisierung durch Erfolge in Niederösterreich, wo unter der energischen Führung des späteren Kardinals Melchior Klesl (Khlesl) (seit 1590 Direktor der Reformationskommission) das protestantische Leben in den Städten unterdrückt wurde. Gleichzeitig beseitigte Klesl Missstände in der katholischen Kirche.

Katholischer Landeshauptmann
1592 ernannte der Kaiser den Herrn von Greinburg, Hans Jakob Löbl, zum Landeshauptmann von Oberösterreich. Damit trat erstmals seit 70 Jahren wieder ein Katholik diesen Posten an. Löbl war fest entschlossen, die Bestimmungen der Religionskonzession von 1568 und damit die Rekatholisierung der Städte Oberösterreichs durchzusetzen. Als Mittel dazu dienten administrative Maßnahmen wie die gezielte Einsetzung katholischer Beamter, die Verweigerung der Bestätigung für nichtkatholische Kandidaten bei Ratswahlen und dergleichen. Auch für die Wiedereinführung der Fronleichnamsprozessionen setzte sich Löbl ein.

Durchsetzung der Gegenreformation
Durchgesetzt wurde die Gegenreformation in Folge des Bauernkriegs der Jahre 1594 bis 1597. Auslöser dieses Bauernaufstands war die Einsetzung eines katholischen Pfarrers in St. Peter am Wimberg durch das Stift St. Florian. Von St. Peter breitete sich der Aufstand zunächst im Mühlviertel und schließlich auf ganz Oberösterreich aus. Zu den religiösen Beschwerden kam zunehmend der Widerstand gegen den hohen Abgabendruck der Grundherrschaften. Da sich dieser Widerstand vor allem gegen protestantische Adelige richtete, sahen sich diese gezwungen, gemeinsam mit dem Landeshauptmann gegen die Bauern vorzugehen. Unter Führung des Protestanten Gotthard von Starhemberg wurde der Aufstand 1597 niedergeschlagen. Allerdings weigerte sich Starhemberg in der Folge, den kaiserlichen Befehl zur Rekatholisierung durchzuführen. Aber die Regierung ließ nicht locker. Löbl selbst zog 1597 und 1598 mit Truppen durch das Land und erzwang die Vertreibung lutherischer Prädikanten und die Einsetzung katholischer Pfarrer in Dörfern und Städten. Auch die Schulen wurden geschlossen und in der Folge ihre Lehrer ausgewiesen. Selbst lutherische Hochburgen wie Steyr oder Wels blieben von diesen Maßnahmen nicht verschont. Die Stände bemühten sich vergeblich, auf diplomatischem Weg dagegen vorzugehen.
Höhepunkt der Maßnahmen war die Abschaffung des evangelischen Landhausgottesdienstes und die Schließung der Landschaftsschule in Linz im März 1600. Versuche der Stände, diese für sie wichtigen und symbolträchtigen Institutionen zu erhalten, scheiterten 1601. (Allerdings konnten diese Institutionen um 1609 unter geänderten politischen Bedingungen noch einmal für kurze Zeit wiedererrichtet werden und sie erlebten – etwa durch die Berufung Johannes Keplers – eine kurze Blüte, ehe dann in der Folge der Gegenreformation ab 1620 das endgültige Aus kam.)

Ausgenommen von der Gegenreformation waren lediglich die Schlösser und Schlosskirchen des Adels. Dort gab es weiter lutherische Prädikanten. Trotz strengen Verbots besuchten ab nun auch viele Bürger die Gottesdienste in den umliegenden Adelssitzen („Auslaufen“), etwa in Schwertberg bei Georg Erasmus von Tschernembl (1567–1626).

Mit dem Eintreffen der Jesuiten in Linz im April 1600 erhielt allerdings auch die innere Erneuerung der katholischen Kirche neuen Schwung.

Autor: Günter Merz, 2010