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Die Frühzeit der Reformation in Steyr


Die oberösterreichischen Städte sind sehr gut vernetzt mit dem Reich in Deutschland. Die Verkehrsanbindung ist gut, die aufstrebende Wirtschaft der Stadt hat durch Händler und Handwerker weitreichende Kontakte und dasselbe gilt für den Adel.
Dazu kommt die weite Verbreitung von Flugschriften, in denen die Sache der Reformation ab 1517 hitzig diskutiert wird und die seit vielen Jahrzehnten bestehende Grundstimmung, die von einem Bedürfnis nach einer Reform der Kirche an Haupt und Gliedern geprägt war.


Ein frühes Zeichen?
In der spätmittelalterlichen Kirche war es üblich, dass für bestimmte Zeiten, etwa die Fastenzeit vor Ostern, spezielle Prediger von „auswärts“ eingeladen wurden.
Auch in Steyr geschah das in der Fastenzeit des Jahres 1520. Eingeladen wurde ein Franziskanermönch, Bruder Patricius. Er predigte an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen und wurde dann völlig überraschend von seinem Ordensobersten abberufen. Für uns ist nicht mehr genau feststellbar, warum diese Abberufung erfolgte.
Offenbar gab es Auseinandersetzungen zwischen dem Franziskaner-Prediger und dem in der Stadt ansässigen Dominikaner-Orden, und diese wurden auf den Kanzeln von Stadtpfarrkirche und Klosterkirche ausgetragen. Haben die Dominikaner in der Folge den Franziskaner bei seinem Ordensoberen angezeigt oder gegen ihn intrigiert?
Die Angelegenheit wirbelte auf jeden Fall einigen Staub auf. Ein gut katholischer Bürger (Wolfgang Rumpl) intervenierte ebenso wie der Stadtrat beim franziskanischen Ordensgeneral - und Bruder Patrizius durfte bleiben.
Ob es sich bei dieser Angelegenheit um die erste Auseinandersetzung um die Reformation in Oberösterreich gehandelt hat ist nicht sicher, aber durchaus möglich. „Patricius habe das Wort Gottes mit besonderer Geschicklichkeit gar treulich verkündet“, hält der Rat der Stadt in seinem Brief fest.
Noch sind die Grenzen zwischen „katholischer Reform“ und „evangelischer Reformation“ nicht scharf gezogen. 1520 geht es immer noch (auch wenn die Auseinandersetzung immer grundsätzlicher wird) um eine Kontroverse innerhalb der Kirche.
In jedem Fall ist die Angelegenheit ein Hinweis auf den hohen Stellenwert der Predigt. Sie ist ein zentraler Ort öffentlicher Kommunikation und Meinungsbildung.

Die erste Auseinandersetzung um die Reformation: Frater Calixtus
1525 kommt wieder ein Barfüßermönch nach Steyr: Frater Calixtus. Aber inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Aus der innerkirchlichen Kontroverse ist ein Bruch geworden. Die Reformation als eigene Bewegung hat klare Konturen gewonnen und breitet sich im ganzen Reich aus.
In Österreich aber geht Ferdinand I. scharf gegen die Reformation vor. 1523 erlässt er ein scharfes Mandat gegen „Druck und Lesen, Kauf und Verkauf“ reformatorischer Schriften. Und 1524 kommt es aufgrund des „Regensburger Konvents“ (einem gemeinsamen Vorgehen von Ferdinand I., dem päpstlichen Kardinallegaten, bayerischer Herzöge, des Erzbischofs von Salzburg, den Bischöfen von Regensburg und Trient u.a.) zu einem harten Durchgreifen, im Zuge dessen in Wien der evangelische Prediger Caspar Tauber hingerichtet wird.
In Steyr greift Frater Calixtus im Rahmen seiner Predigttätigkeit die Missbräuche und Missstände der Kirche an und empfiehlt (anstelle der Stiftungen für die Messen) die Einrichtung eines „Gemeinen Kastens“. Aus dessen Dotierung soll die Versorgung der Armen erfolgen.
Der Rat der Stadt setzt dieses Projekt um, leitet damit aber auch eine Entwicklung ein, welche die Geistlichkeit unmittelbar berührt: der Rückgang der finanziellen Opfergaben bei Toten- und Hochzeitsfeiern war drastisch. Nicht zuletzt aus diesen Gründen verlangte Abt Pankratz von Garsten die Abberufung des Calixtus.

In seiner Predigt legt Calixtus kontinuierlich den Römerbrief aus, einen zentralen Text für die Reformation. Ein ganzes Jahr lang, so sagt er, hab er nur von Glaube, Hoffnung und Liebe gepredigt, zur Reinigung der Herzen.
Nach heftigen Auseinandersetzungen, die sich über zwei Jahre lang hinziehen, verlässt er die Stadt, um einer Vorladung des Bischofs nach Passau zu entgehen, von der er sich nichts Gutes erwarten konnte.

Der Streit um das „Salve Regina“ (1528)
Wegen der Vorkommnisse und Veränderungen wird eine Visitations- und Reformationskommission nach Steyr gesandt.
Sowohl der Abt von Garsten als auch die Stadt bringen nun ihre Berichte und Beschwerden vor. Die Stadt beschwert sich u.a., dass das Stift und seine Mönche zwar die Gelder der Stiftungen genießen, aber die gestifteten Gottesdienste und Prozessionen nicht halten würden. Dazu gäbe es zu wenige taugliche Priester und Prediger, gäbe es dann welche, würden sie abgeschafft.

Der Abt bringt von seiner Seite u.a. einen Punkt vor, der ein Lied betrifft, nämlich das „Salve Regina“:

So hätten über diß die von Steyer, das alte salve Regina, welches Gott unseren Erlöser und seiner werthen Mutter, Jungfrauen Maria zu Ehren zu singen, Christlich auf uns kommen, abgeschafft und zur Verachtung der Gebärerin Gottes, das neu gemachte salve eingeführet, und selbiges durch den Weinberger auf der Cantzel, zu grossen Ergerniß rühmen und promoviren lassen (…).

Die Steyrer hielten dagegen:

Mit dem salve Regina sey kein andere Verkehrung fürgegangen, dann daß es auf Christum gewendet und gestellet sey: Dieweil es dann ein geistlich Gesang, und auf Christum Unsern Heyland und rechten Felsen der Christlichen Kirchen geleitet, (…).

Es geht in der steyrischen Kontroverse also um eine spürbare und deutliche Veränderung der Liturgie, welche einen empfindlichen Nerv trifft. Für die einen wird damit Maria herabgemindert und zudem eine zentrale Frömmigkeitsform beschädigt, für die anderen erfolgt eine christologische Konzentration, welche die Verehrung Marias geradezu davor rettet abgöttisch zu entarten. Die Verteidigung erwähnt nun auch, dass es möglicherweise auch die musikalische Form selbst gewesen sein mag, welche den Widerspruch provozierte. Ein neues „Salve“ war benützt worden. Wir wissen zwar weder vom Text noch vom Dichter desselben, doch es scheint, dass man zur Vertonung eine weltlich gebräuchliche Melodie heranzog. Eine zwar durchaus übliche Praxis, aber in diesem Fall doch besonders anstößig, weil es sich um einen Kernhymnus handelte.


Dokumentation zur Sonderausstellung "1517! Und Heute? Steyr 2017. Reformationsstadt Europas" im Museum der Stadt Steyr vom 24. März bis 5. November 2017.

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