Zeugen Jehovas

Die Zeugen Jehovas (eine zweite damals gebräuchliche Bezeichnung war Internationale Bibelforschervereinigung) wurden in Österreich bereits 1935 im Ständestaat verboten und führten ihr Leben als Glaubensgemeinschaft in der Illegalität weiter. 1937 fand in Prag ein Kongress der Zeugen Jehovas statt, bei dem eine Gruppe von Österreichern in der illegalen Arbeit geschult wurde. Die Erfahrungen, die die deutschen Zeugen Jehovas mit der nationalsozialistischen Verfolgungsmaschinerie gemacht hatten, sollten an die Österreicher weitergegeben werden.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurden die Gruppen der Zeugen Jehovas aus Sicherheitsgründen verkleinert, Verteilerstellen für die illegalen Bibelforscher-Schriften eingerichtet und Zusammenkünfte an wechselnden Treffpunkten durchgeführt. Nach zwei großangelegten Verhaftungsaktionen im Oktober 1939 und im Juni 1940 war die Untergrundorganisation der Zeugen Jehovas weitgehend zerschlagen, religiöse Treffen fanden nun nur noch in kleinem Kreis statt.

Konflikte mit der nationalsozialistischen Obrigkeit
Aufgrund ihrer Überzeugungen gerieten die Zeugen Jehovas in eine Reihe von Konflikten mit der nationalsozialistischen Obrigkeit. Sie waren dem Grundsatz verpflichtet, in politischen Fragen neutral zu bleiben, was für sie bedeutete, nicht an Wahlen teilzunehmen. Von den Nationalsozialisten wurde dieses Verhalten als Feindschaft gegenüber dem Regime interpretiert. Die Folge waren gewaltsame Übergriffe und Verhaftungen. Ein Teil der Zeugen Jehovas beteiligte sich aber an der Abstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich vom 10. April 1938, weil sie darin keinen Gegensatz zum biblischen Neutralitätsgebot sahen.

Verweigerung des Hitlergrußes und des Grußes der Fahne
Eine der grundlegenden Überzeugungen der Zeugen Jehovas war es, dass das „Heil“ nur von Christus komme, der Gruß „Heil Hitler“ galt für sie daher als Gotteslästerung. Sie verweigerten den Hitlergruß und auch den Gruß der Fahne. Dabei beriefen sie sich auf die ersten Christen, die den Gruß des Kaiserstandbildes abgelehnt hatten. Das Grüßen der Fahne war zwar nicht zwingend vorgeschrieben, eine Weigerung galt den Gerichten aber als Beweis der Gegnerschaft der Zeugen Jehovas zum Nationalsozialismus.

Für Bedienstete im öffentlichen Dienst wurde die Verweigerung des Hitlergrußes zu einer Existenzfrage. In den Ämtern herrschte Grußpflicht und das Unterlassen des Grußes bedeutete die Entlassung. Zeugen Jehovas, die als Beamte beschäftigt waren, verweigerten auch die Ablegung des neuen Diensteides, was ebenfalls zur sofortigen Entlassung führte.

Die Angehörigen der Bibelforschervereinigung verloren ihre Arbeitsstellen aber auch in der Privatwirtschaft, weil sie den Hitlergruß nicht leisteten, an Betriebsappellen nicht teilnahmen und nicht Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) wurden. Wer einmal arbeitslos geworden war, fand nur mit Mühe eine neue Stelle, weil dafür eine Zugehörigkeit zur DAF fast zwingend notwendig war. Der Weg in die Selbstständigkeit war den Zeugen Jehovas ebenso verbaut, da sie von den staatlichen Stellen nicht die dafür notwendigen Genehmigungen erhielten. Mit der Begründung, sie würden sich staatsfeindlich verhalten, wurden ihnen Renten und Pensionen gekürzt oder gestrichen.

Kinder der Zeugen Jehovas
Die Kinder der Zeugen Jehovas kamen in schwere Konfliktsituationen zwischen den Anforderungen in Schule und Elternhaus. Nach dem Vorbild der Eltern verweigerten sie den deutschen Gruß, das Grüßen der Fahne und das Singen nationalsozialistischer Lieder. Die Folge waren Verhöhnungen durch die Mitschüler und harte Bestrafungen durch die Lehrer, die bis zum Schulverweis führen konnten. Hatte ein Kind erst einmal seinen Schulplatz verloren, war es schwer einen neuen zu finden, und eine weitere Ausbildung wurde unmöglich. Jugendämter argumentierten gegenüber den Gerichten mit einer Gefährdung des Kindeswohls und setzen sich immer wieder für die Entziehung des Sorgerechts bei Kindern von Zeugen Jehovas ein. Die betroffenen Kinder kamen in Pflegefamilien oder Heime.

Gebot der Gewaltlosigkeit im Wiederspruch zur Wehrpflicht
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die Situation für die Zeugen Jehovas noch schwieriger. Sie verweigerten den Wehrdienst und den Fahneneid mit der Begründung, dass sie Gott und seinen Geboten zur Treue verpflichtet wären. Das Gebot der Gewaltlosigkeit untersagte ihnen den Gebrauch von Waffen gegen andere Menschen. Nach Kriegsausbruch wurde die Verweigerung des Wehrdienstes nicht mehr mit Haft, sondern mit dem Tod bestraft. Die Zeugen Jehovas lehnten schließlich aus denselben Gründen auch den Dienst im Volkssturm ab. Die Strafen dafür reichten von der Einweisung in ein Konzentrationslager bis hin zur Todesstrafe.

KonzentrationslagerIn den Konzentrationslagern bildeten die Zeugen Jehovas eine eigene Gruppe, die aufgrund ihrer gemeinsamen Weltanschauung und ihres Gruppenkodex eng verbunden war. Seit 1938 mussten sie, gemeinsam mit der kleinen Gruppe der Siebten-Tags-Adventisten, die die SS nicht von den Zeugen Jehovas unterschied, einen violetten Winkel als Erkennungszeichen tragen. Die Gruppe als Ganzes lehnte die Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie ab und berief sich auf die Bibel, die Christen die Herstellung von Waffen nicht erlaubte. Die SS versuchte meist vergeblich, die Zeugen Jehovas durch außergewöhnliche Brutalität und Zwangsmaßnahmen zu brechen. Als die SS 1942 in der Lagerverwaltung vermehrt auf deutsche Häftlinge angewiesen war, weil die Zahl der ausländischen Inhaftierten stark zunahm, besserte sich die Situation der Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern etwas. Sie standen im Ruf, ihre Arbeit, soweit sie nicht in Gegensatz zu ihren Glaubensgrundsätzen stand, zuverlässig zu erledigen. Außerdem unternahmen sie keine Fluchtversuche, weil sie dies als Auflehnung gegen die göttliche Vorsehung betrachteten. Die SS setzte sie daher für Arbeiten ein, bei der die Bewachung schwierig war.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]