Forum OÖ Geschichte

Arisierung von Kunst

Die Ausschaltung jüdischer KünstlerInnen und Arisierung von Kunst

Antisemitismus als Kategorie der Kulturpolitik gab es in Oberösterreich bereits vor 1938. So stand man am Linzer Landestheater spätestens in den 1930er Jahren vor der Situation, dass man aufgrund heftiger Publikumsreaktionen keine jüdischen SchauspielerInnen mehr engagieren konnte. Auch das Linzer Engagement des später in Hollywood berühmt gewordenen Schauspielers Leon Askin, der noch 1935 am Landestheater inszenierte, wurde durch die Auflage, Katholik werden zu müssen, schon Jahre vor dem Anschluss beendet.

Die meisten jüdischen KünstlerInnen waren in Oberösterreich also schon vor 1938 dem Antisemitismus gewichen. Zudem war die jüdische Gemeinde in Linz eher klein. Die Vertreibung jüdischer KünstlerInnen war für Linz nach dem Anschluss daher mehr oder weniger überflüssig.

Rassische Verfolgung im Bereich von Kunst und Kultur
Einige Beispiele rassischer Verfolgung im Bereich von Kunst und Kultur in Oberösterreich gab es dennoch, etwa das des in Linz geborenen jüdischen Pianisten und Kapellmeisters Albert Spitz, dem nach einer Inhaftierung in Dachau die Emigration gelang, oder das von Edith und Anna Wilensky, die in der oberösterreichischen Kunstszene der Zwischenkriegszeit aktiv waren und 1938 Linz verlassen mussten. Noch kurz vor der Schließung aller Theater im September 1944 forderte die Reichstheaterkammer in Berlin Ignaz Brantner auf, den „syrischen Mischling“, den er beschäftigte – es handelte sich um die Tänzerin Herta Thurmann – zu entlassen.

Die Säuberung der Spielpläne von Werken jüdischer KünstlerInnen erfolgte im Gau Oberdonau rigoros und mitunter eigeninitiativ. Man wartete dabei die Anweisungen der Berliner Reichskulturkammer nicht ab. Da die Kulturreferenten in den verschiedenen Ebenen der Gau- und Kreisverwaltung oftmals keine Detailkenntnisse über die Inhalte künstlerischer Werke hatten, trieb diese Praxis mitunter kuriose Blüten. Auch die Frage, welche KünstlerInnen im Sinne der Nürnberger Rassengesetze als jüdisch galten und daher nicht aufgeführt werden durften, regelte man im Gau selbst. So verfasste Franz Kinzl als Leiter des Musikreferates im Gaupropagandaamt unter Federführung von Rudolf Irkowsky eine „Liste der jüdischen Komponisten als Unterlage für Säuberungsaktionen auf dem Gebiet der Musik“. Der Anlassfall dafür war ein Ständchen der Musikkapelle St. Wolfgang für Propagandaminister Goebbels, bei dem der „Fackeltanz“ des jüdischen Komponisten Giacomo Meyerbeer gespielt wurde. Auch der 1857 in Waizenkirchen geborene Komponist, Kapellmeister und Librettist Wilhelm Kienzl fiel als Vierteljude unter die „verbotenen Komponisten“.

Kunstraub
Neben der Ausschaltung jüdischer und regimefeindlicher KünstlerInnen und der Verfemung entarteter Kunst war auch der Raubzug gegen jüdischen Kunstbesitz Teil der Kulturpolitik der NS-Zeit.

Oberdonau war nicht nur über den Sonderauftrag Linz (in dessen Rahmen ja außerhalb von Oberdonau gesammelt wurde) in den nationalsozialistischen Kunstraub verstrickt. Diesen gab es auch vor Ort. Kunstgegenstände von oberösterreichischen Juden und Jüdinnen fielen wie andere immobile und mobile Besitztümer dem nationalsozialistischen Vermögensentzug zum Opfer. Dabei war in Oberdonau, anders als in Wien, der Entzug von Kunstgegenständen eher ein „Nebenprodukt“ der Arisierung. Kunstgegenstände wurden schon im Rahmen der ersten Übergriffe auf jüdisches Vermögen unmittelbar nach dem Anschluss entzogen, in der Linzer Zweigstelle des Dorotheums von der Gestapo eingelagert, dort versteigert oder dem Oberösterreichischen Landesmuseum überstellt. Nach diesen ersten „illegalen“ Formen des Vermögensentzugs kam es im April 1938 zu einer Scheinlegalisierung. Grundlage dafür war die Verpflichtung für Juden und Jüdinnen, ihre Vermögenswerte aufzulisten. Die bürokratische Abwicklung der Vermögensanmeldung lief über die Vermögensverkehrsstelle Wien. Im Juni und Juli 1938 fanden die Besichtigungen der Vermögensgegenstände statt.

Neben dem „illegalen“ und scheinlegalisierten Entzug von Kunstgegenständen trennten sich jüdische Besitzer im Zuge einer geplanten Emigration oft selbsttätig, wenn auch nicht „freiwillig“, von ihren Kunstwerken, indem sie sie unter Wert verkauften oder verschenkten.

Im Vergleich zum jüdischen Kunstbesitz in Wien waren die entzogenen jüdischen Kunstsammlungen in Oberdonau eher kleineren Stils. In Linz gab es etwa die Sammlung der Familie Schwarz, die 1930 das Linzer Kaufhaus Kraus und Schober übernommen hatte, die Sammlungen der Familie Weiss und der Familie Töpfer, die einen Kunsthandel betrieben, die des Rechtsanwalts Otto Gerstl oder jene von Sigmund Sommer.

Arisierungen im Salzkammergut
Außerhalb von Linz waren vor allem im Salzkammergut jüdische Familien angesiedelt, die Kunst sammelten. Oftmals handelte es sich um Wiener Juden, die sich im Umkreis des Kaiserhofes in Bad Ischl und am Grundlsee eine Sommerfrischeresidenz geschaffen hatten. 1938 verlor diese Gegend für sie die Geruhsamkeit. Die Juden wurden vertrieben und ihre Besitztümer enteignet, so etwa Schloss Kammer am Attersee oder die Villa Toskana in Gmunden, die durch die Stadt Gmunden arisiert wurde und trotz vielerlei Begehrlichkeiten durch Größen aus Berlin letztendlich als Kriegsentbindungsheim diente.

Der Arisierung fielen auch die Sammlungen des Librettisten Julius Brammer in Bad Ischl oder die von Aranka Munk in Bad Aussee zum Opfer. Auch bedeutende volkskundliche Sammlungen, etwa jene der Familien Mautner, Königsgartner [Ernst (Arnost) Königsgarten, korr d. Red.] und Stiassni aus Bad Aussee oder der Familie Bittner aus Altmünster waren betroffen, ebenso die Sammlung der Linzer Familie Mostny, die einen Wohnsitz in Steinbach am Attersee hatte. Enteignete Exponate aus jüdischen Sammlungen gelangten nicht nur in das Landesmuseum und in die Sammlungen der Stadt Linz, sondern auch in Heimathäuser und Heimatmuseen, so etwa die Trachtensammlung der Familie Mautner ins Heimathaus Bad Aussee.* Wilhelm Haenel, einer der Hauptakteure der „wilden“ Arisierung im Salzkammergut, enteignete Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz nicht nur als Treuhänder im Auftrag der Reichsstatthalterei, sondern bereicherte sich zum Teil auch persönlich an jüdischem Vermögen und legte eine ansehnliche Privatsammlung an.

Obwohl es angesichts des geplanten Führermuseums eher auf dem Abstellgleis stand, profitierte auch das Landesmuseum in Linz – so wie alle österreichischen Museen – in den Jahren zwischen 1938 und 1945 von der Zuweisung geraubter Kunstwerke. So wurden 1940 mehrere hundert vorwiegend volkskundliche Kunstobjekte aus beschlagnahmten Sammlungen Wiener Juden nach Linz überstellt. Und obwohl es in Linz und Oberösterreich keine mit Wien vergleichbaren bedeutenden Kunstsammlungen jüdischer Besitzer gab, zog das Landesmuseum auch vom lokal stattfindenden Vermögensentzug an Juden und Jüdinnen Nutzen – wenngleich es sich nicht aktiv daran beteiligte. So hinterlegte etwa der Linzer Rechtsanwalt und Kunstsammler Otto Gerstl vor seiner erzwungenen Emigration 1938 eine wertvolle grafische Sammlung im Museum. Nach seiner Rückkehr nach Österreich 1947 wurde die Sammlung an ihn restituiert. Auch die aus Wien überwiesenen enteigneten Kunstwerke wurden nach 1945 großteils zurückgegeben. Die Rückstellungsbemühungen zu ungeklärten Fällen oder jenen 17 Bildern, die 1950 vom „Collecting Point“ in München ins Landesmuseum gelangten, kamen allerdings erst in den 1990er Jahren ins Rollen.


Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]


Weitere Informationen siehe Ausstellungsdokumentation "Kunst unter dem Nationalsozialismus":

 

© 2019