Forum OÖ Geschichte

Kriegsjugend

Militarisierung der Jugend
Durch den Krieg wurde die Militarisierung der Jugend in Schule und HJ weiter vorangetrieben. Außerdem mussten Jugendliche in verschiedensten Bereichen die zum Kriegsdienst herangezogenen Erwachsenen ersetzen und Kriegshilfsdienste leisten. Besonders Mädchen wurden im Bereich der Familienhilfe, der Kindergartenarbeit, des Gesundheitsdienstes, zur Betreuung von Soldaten (Kriegsbetreuungsdienst), als Helferinnen im Luftnachrichtendienst oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen oder kommunalen Infrastruktur – etwa als Straßenbahnschaffnerinnen oder am Bankschalter – eingesetzt.

Reichsarbeitsdienst für die weibliche Jugend
Neben dem bereits 1938 eingeführten weiblichen Pflichtjahr und dem Landjahr für Jungen und Mädchen nach der Schulentlassung sollte ab Herbst 1939 vor allem der Reichsarbeitsdienst für die weibliche Jugend (RAD) dem Arbeitskräftemangel in der Haus- und Landwirtschaft entgegenwirken. Zu diesem 26-wöchigen Dienst konnten ledige Mädchen zwischen 17 und 25 Jahren, die nicht berufstätig waren, nicht in Ausbildung standen oder als mithelfende Familienangehörige benötigt wurden, herangezogen werden. Untergebracht waren die Arbeitsmaiden in eigenen Lagern. Tagsüber wurden sie Bauernhöfen zugeteilt. Das erste Lager für den weiblichen Arbeitsdienst in Oberdonau war bereits im Sommer 1938 in Aigen-Schlägl errichtet worden.

Dienste für die männliche Jugend
Die männliche Jugend wurde vor allem zu Kurier-, Wach-, Propaganda-, Luftschutz- und Feuerwehrdiensten eingesetzt oder der Post, Bahn und Wehrmacht zu Hilfsdiensten oder der Polizei als Melder zugeteilt. Parallel dazu wurden viele Verbesserungen im Bereich des Jugendarbeitsschutzes sukzessive wieder zurückgenommen und das Freizeitverhalten noch stärker reglementiert.

Sammeldienste und Ernteeinsätze
Besondere Bedeutung erhielten die Reichsstraßensammlung für das Winterhilfswerk und verschiedene andere Sammeldienste der HJ (Spielsachen, Papier, Heilkräuter, Alteisen etc.) sowie der Ernteeinsatz der Schuljugend. Dieser Kriegseinsatz der Jugend zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes wurde ab April 1942 noch weiter ausgedehnt: Ganze Klassen konnten nun für mehrere Wochen zwischen April und November zur Landarbeit verpflichtet werden. 

Das Gaujugendamt des Reichsstatthalters in Oberdonau forcierte die Zusammenarbeit von Schule, HJ, NS-Volkswohlfahrt und Jugendamt, um die Gefahr der Verwahrlosung, Jugendgefährdung und Schwererziehbarkeit noch intensiver zu beobachten, zu erfassen und zu bekämpfen. Im ehemaligen Kloster Gleink bei Steyr wurde eine Gauerziehungsanstalt für erziehungsbedürftige Kinder und Jugendliche eingerichtet. Die NS-Volkswohlfahrt übernahm unter Federführung des Jugendamtes im Bereich der Kleinkind- und Jugendfürsorge immer mehr Kompetenzen der staatlichen Wohlfahrtsverwaltung und der Fürsorgeerziehung in NSV-Jugendheimstätten und Jugenderholungsheimen (Wels, Peuerbach, Weikersdorf, Goisern, Schloss Neuhaus im Innviertel).

Kinderlandverschickungen
Eine der bedeutendsten Aktionen der HJ (zusammen mit NS-Lehrerbund, Reichsjugendführung und Kultusministerium) während der Kriegsjahre war das pädagogische Großexperiment der Kinderlandverschickung (KLV) ab 1941, eine zunächst für sechs Monate anberaumte klassen- oder schulweise Evakuierung von Schülern aus luftkriegsgefährdeten (vor allem städtischen) Gebieten in andere, ländliche Teile des Reichs. In Oberdonau waren Anfang 1944 etwa 4500 Buben und Mädchen auf KLV. Auch umgekehrt waren Schüler aus dem Altreich in Oberdonau untergebracht. Ein wesentlicher Faktor dabei war die Möglichkeit der totalen Erfassung und Erziehung der Schüler über einen längeren Zeitraum hinweg. Schulische Arbeit, HJ-Dienst und Freizeit ließen sich gleichermaßen beeinflussen. 1944 wurden die Kinderlandverschickungen kriegsbedingt wieder eingestellt.

Volkssturm
Gegen Kriegsende wurden die Jahrgänge 1925 bis 1929 der HJ als Aufgebot III des Volkssturms immer mehr zu unmittelbaren Kriegsdiensten herangezogen. Laut Führererlass vom 25. September 1944 sollte der Volkssturm, gebildet durch alle bislang noch nicht kämpfenden „waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren“, die deutsche Wehrmacht verstärken. Er wurde auf Gauebene von den Gauleitern als Reichsverteidigungskommissare organisiert. In Oberdonau wurde im September 1944 der Jahrgang 1928 als „letzte Blutreserve“ aufgeboten, Ende Februar 1945 begann man sogar Buben des Jahrgangs 1929 in der hintersten Verteidigungslinie einzusetzen. Gauleiter Eigruber ordnete am 10. Februar 1945 in einem Rundspruch an alle Kreisleiter und Landräte an, dass jede besiedelte Ortschaft, jedes Dorf, jeder Markt, jede Stadt, jeder Verkehrsknotenpunkt vom Volkssturm unter Heranziehung der HJ in Verteidigungszustand zu versetzen sei. In Schärding etwa fanden zwei Hitlerjungen bei der Verteidigung der Stadt gegen amerikanische Truppen den Tod. In den letzten Tagen und Wochen des NS-Regimes wurden Angehörige der HJ auch an Hinrichtungen und Exekutionen beteiligt, so etwa im Rahmen der Mühlviertler Hasenjagd oder bei der Erschießung von acht Angehörigen der antifaschistischen Freistädter Widerstandsgruppe am 1. Mai in Treffling durch 16- bis 17-jährige HJ-Jungen, unter denen sich auch der 16-jährige Sohn Eigrubers befand.


Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]

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