Forum OÖ Geschichte

Jugendorte

Familie, Schule und Hitler-Jugend
Das Gesetz über die Hitler-Jugend vom 1. Dezember 1936 löste das Erziehungsrecht grundsätzlich aus der Sphäre des Privaten und Unpolitischen heraus und sprach es dem Führer zu. Dieser, so das Gesetz, repräsentiere das Volk und delegiere bestimmte Erziehungsrechte und Erziehungsaufträge lediglich zu treuen Händen an Elternhaus, Schule und HJ. Diese drei seien Beauftragte des Volkes. Die NS-Erziehungspolitik lief auf eine Verstaatlichung der Kinder und Jugendlichen hinaus, die ihrem Elternhaus quasi enteignet wurden – die HJ sollte die Rolle einer Ersatzfamilie einnehmen. Wesentlich wurde die Autorität der HJ-Führer, die nun der von Eltern und Lehrern gegenüberstand und diese nicht selten in Frage stellte. Belegte Fälle der Denunziation von Erwachsenen durch Kinder in Linz und im Mühlviertel zeugen von der gestärkten Position der Kinder innerhalb der häuslichen und privaten Sphäre.

Kooperationen von Schule und HJ
Landesrat Rudolf Lenk, Vorsitzender des Landesschulrates in Oberdonau, forcierte die Rekrutierung des Lehrernachwuchses aus den Reihen der HJ sowie die vielfältigen Kooperationen zwischen Schule und HJ: Bereitstellung von Schulräumen für die HJ, Hilfeleistung der Schule bei der Erfassung von HJ-Jahrgängen und bei öffentlichen Bekanntmachungen, Übernahme von HJ-Führungsfunktionen durch LehrerInnen, Beurlaubung von der Schule für HJ-Lehrgänge. Trotzdem misstraute so mancher Lehrer wohl nicht ganz zu Unrecht der Erziehungskompetenz der HJ-Führer. So beschwerte sich etwa die durchaus regimeloyale Leiterin der Volksschule Altmünster über die „Rüpelhaftigkeit dieser Raufbolde“.

Von der NS-Volksgemeinschaft unerwünschte Jugendliche
Aber nicht nur Familie, Schule und HJ, auch Arbeitserziehungslager, Zigeuner-Anhaltelager und Konzentrationslager waren Jugendorte in Oberdonau, denn es gab auch jene Jugendlichen, die aus ideologischen, sozialen oder rassischen Gründen nicht in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft erwünscht waren. Arbeitsscheue und Asoziale etwa konnten in das zwischen Juni 1940 und Jänner 1941 bestehende Arbeitserziehungslager in Weyer im Bezirk Braunau eingeliefert werden. Jüdische Jugendliche wurden nach dem Anschluss sukzessive separiert und entrechtet, jüdische SchülerInnen aus den öffentlichen Schulen verwiesen. Zwischen Frühsommer und November 1938 bestand in Linz eine eigene Judenschule, deren Schülerzahl aufgrund der Auswanderungen rasch sank. Nach der Pogromnacht (Reichskristallnacht) vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Schule geschlossen. Nur wenige jüdische Kinder und Jugendliche konnten der Deportation in ein Konzentrations- oder Vernichtungslager entgehen. Die israelitische Kultusgemeinde in Steyr organisierte bis zum Sommer 1939 Transporte, um Kinder außer Landes zu bringen.

Auch für Kinder von Zigeunern war keinerlei Lebens- und Zukunftsberechtigung vorgesehen. So war etwa die Hälfte der 350 Insassen des Zigeuner-Anhaltelagers in Weyer Kinder. Ein besonders berührendes und durch Erich Hackls Roman „Abschied von Sidonie“ bekannt gewordenes Schicksal ist das von Sidonie Adlersburg, einem Zigeuner-Mädchen, das der Pflegefamilie in Sierning weggenommen und zusammen mit seiner Mutter nach Auschwitz transportiert wurde, wo es im Sommer 1943 – vermutlich an Typhus – verstarb.

Auch die Konzentrationslager waren Orte für nicht erwünschte Jugendliche. Im Konzentrationslager Mauthausen waren Kinder und Jugendliche aus Spanien, Polen und der Sowjetunion inhaftiert. Ende März 1945 waren über 15.000 Häftlinge des Mauthausener Lagerkomplexes unter 20 Jahre alt.


Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]

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