Ort Weyer an der Enns was, was verdanke ich dir Alles,…
Der Schriftsteller Peter Altenberg (eigentlich Richard Engländer, 1859 – 1919) verbrachte den August und September 1916 mit seiner Freundin Paula Schweitzer (1896-1941) in Weyer. Er benützte diese Sommerfrische, um sich mehrfach vom örtlichen Fotografen Carl Harrer fotografieren zu lassen.

Vitrinenansicht "Peter Altenberg in Weyer" im Ennsmuseum Weyer, 2014; Foto: Verbund Oö. Museen
Die Reue
"An dem Landaufenthalt lernt man das ganze Leben und seines eigenen Daseins täglichen Irrtum!
Solange ich in W e y e r war, kam ich mir wie ein Allerreichster vor.
Du hast die Gaflenzbachpromenade, das Hollensteinertal, den Weg zum „Gestüt“ zur Verfügung, von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, benutze sie, benutze sie nicht, sie sind jedoch dein, zu deinem Genuß, sie warten Tag und Nacht, dich zu begeistern!
"An dem Landaufenthalt lernt man das ganze Leben und seines eigenen Daseins täglichen Irrtum!
Solange ich in W e y e r war, kam ich mir wie ein Allerreichster vor.
Du hast die Gaflenzbachpromenade, das Hollensteinertal, den Weg zum „Gestüt“ zur Verfügung, von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, benutze sie, benutze sie nicht, sie sind jedoch dein, zu deinem Genuß, sie warten Tag und Nacht, dich zu begeistern!
Also kannst du gemächlich im reizenden stillen Landkaffeehaus verweilen, den ganzen Nachtmittag, wenn’s dir gerade passt, oder auch nur so aus Laune, aus Bequemlichkeit.
Denn die Natur um dich herum erwartet dich geduldig Tag und Nacht, und du bist für sechs Wochen ansässig im Orte Weyer, kannst es dir einteilen, wie es dir beleibt!
Allein wie die ganz Reichen nicht den Gulden achten oder sogar den Zwanzigkronenschein, ihn richtigst zu verwenden, weise, vorsichtig, da sie das Unglück haben, nicht sparen zu müssen, so ging es mir mit Weyer, dessen wunderbare Bäche, Wiesen, Wälder mir für sechs Wochen unbegrenzt gehörten. Ich wurde wie ein Reicher, pfui!
Einmal blieb man im wenn auch sympathischen Zimmer ohne Not, einmal im Kaffee, einmal verplauschte man sich bei jemandem. War’s eine liebe Frau, gleichviel!
In Wien gedenkt man nun, ein Bettler, jener mißbrauchten Stunden, jener blöd versäumten.
Wie konntest du damals! Du, du Esel!
Wie können alle in jeder Sache fast ihr Leben so verplempern, ihren inneren Reichtum!
Besitz macht großherrlich, ich hatte Wiese, Wald und Bach, wozu es sofort ausnutzen? Warten wir, bis es zu spät ist!"
Peter Altenberg: "Vita ipsa" (1918)
Landleben
"Sie fuhr aufs Land bedrängten Herzens. Er verlangte allzu heftig seine einsame Freiheit.
Nach einer Woche aber schrieb sie: 'Diese Promenade am Gaflenz-Bach, an den Weidenbüschen und an Bauerngärten, nach Kastenreith, zur brausenden Enns!'"
"Sie fuhr aufs Land bedrängten Herzens. Er verlangte allzu heftig seine einsame Freiheit.
Nach einer Woche aber schrieb sie: 'Diese Promenade am Gaflenz-Bach, an den Weidenbüschen und an Bauerngärten, nach Kastenreith, zur brausenden Enns!'
Und später schrieb sie: 'Diese Mödlinger Hütte, Hochalm, um fünf erwachten wir, alles war erfüllt mit weißen Nebeln, wunderbar!'
Und noch später schrieb sie: 'Heute in Gstatterboden. Abends wurden sie Riesenwände rosenrot, dann purpurn, dann grau. Ich war ganz bedrückt!'
Da wußte er, daß er sie verloren hatte, wenn auch an einen noblen anständigen zarten Konkurrenten, die Natur!"
Peter Altenberg: "Vita ipsa" (1918)
Sommer-Bekanntschaft
"Er konnte nicht zu ihr, sie nicht zu ihm. Alles kommt vor in diesem Leben.
Obzwar sie vielleicht gar nicht es wollte.
Und dennoch erwiderte sie stets seine begeisterten Blicke mit ihrem Blick: ‚Ich weiß daß ich Dein Ideal bin, Dichter!'"
"Er konnte nicht zu ihr, sie nicht zu ihm. Alles kommt vor in diesem Leben.
Obzwar sie vielleicht gar nicht es wollte.
Und dennoch erwiderte sie stets seine begeisterten Blicke mit ihrem Blick: ‚Ich weiß daß ich Dein Ideal bin, Dichter!'
Ihr 'Dirndl-Gwand' in blau und grün unterschied sich nicht sehr von den vielen anderen im Orte Weyer.
Alle trugen, selbst am Sonntag, Dirndl-Gwand."
Peter Altenberg: "Vita Ipsa" (1918)
Weltkrieg
"Bis jetzt waren wir unserer Fünf. Jetzt san mir nur mehr unserer Drei. Aber unsere Mitzl kränkt sich so schrecklich wegen dem erschossenen Karl, ..."
"Bis jetzt waren wir unserer Fünf. Jetzt san mir nur mehr unserer Drei. Aber unsere Mitzl kränkt sich so schrecklich wegen dem erschossenen Karl, daß mer bald nur mehr zwei sein werden."
Peter Altenberg "Vita Ipsa" (1918)
Autor: Adolf Brunnthaler, 2014
Dokumentation zur Ausstellung "Weyer und der Große Krieg" im Ennsmuseum Weyer, Museumssaison 2014 und 2015.